Die Beziehung zu deinem Vater

Die Beziehung zu deinen Eltern und deren Auswirkung kannst nur du selbst wirklich für dich analysieren.

Nun geht es zunächst konkret um die Beziehung zu deinem Vater 👨👦 👨👧 – die einen positiven oder negativen Einfluss auf dich hat. Diese ist vielleicht von Anfang an eine sehr gute oder sehr schlechte Beziehung. Du empfindest die Beziehung zu deinem Vater als Kind möglicherweise erst als sehr großartig und im späteren Verlauf wird sie irritiert.

Die Bindung zu ihm hängt mitunter davon ab, wie häufig du ihn als Kind siehst und was ihr dann gemeinsam unternehmt. Welche Geschichte mit deinem Vater fällt dir als erste ein? Ist diese schön oder ist das eine negative Erinnerung?

Drei typische Vaterrollen

der Ernährer und Bestrafer, der Kümmerer, der Freizeitvater. Ich verzichte auf eine detaillierte Beschreibung der Folgen von negativ empfundenen Vater-Kind-Beziehungen. Es liegt an dir, die passende Situation für dich selbst zu bestimmen.

Mir hilft es immer, wenn ich einen Namen zu einer Person habe. Also gebe ich diesen Stereotypen Namen.

Der Ernährer und Bestrafer

Der Ernährer und Bestrafer ist die erste Vaterrolle, die ich beschreiben möchte. Ich nenne ihn nun Peter. Er geht traditionell morgens aus dem Haus zur Arbeit, um die Familie zu finanzieren und kommt am Abend nach Hause – natürlich müde von dem anstrengenden Tag. Peter ist beispielsweise Schichtarbeiter oder anderweitig beruflich oder mit seinem Hobby sehr eingespannt – und so auch kaum zu Hause und in den Familienalltag integriert.

Wenn er zu Hause ist, nehmen die Mutter und das Kind Rücksicht, sodass Peter seinen wohlverdienten Feierabend genießen kann – schließlich arbeitet er und verdient das Geld. Wenn er beim Essen dabei ist, geht es geordnet zu. Peter fragt nach, wie es in der Schule läuft – und will dabei gute Noten verkündet bekommen. Im Sportverein soll auch alles glatt laufen. Es geht Peter dabei nicht um ein tiefgreifendes Gespräch: Ein „Alles ist okay“ reicht ihm aus. Kinder lernen diese typische Vaterrolle kennen und erlernen, dass sie ein Lob für gute Schulnoten und gutes „Verhalten“ bekommen. Gefühle und Emotionen sind nicht an der Tagesordnung.

Ist Peter beispielsweise ein Manager, wird bei ihm Leistung großgeschrieben – das verlangt er auch von seinen Kindern. So bleibt für ihn wenig Zeit für „Beziehungspflege“ innerhalb der Familie. Stattdessen ist der Leistungsdruck für das Kind und auch die Mutter sehr hoch.

Das Kind entwickelt zu Peter ein weniger enges Verhältnis als zu Claudia, die es zu Hause versorgt und die sich kümmert. Aufgrund der körperlichen Distanz wird der Vater zu einer Respektperson. Kinder haben vielleicht sogar Angst vor ihm. Ist dies stark ausgeprägt, so nimmt der Vater die Rolle des bestrafenden Patriarchen ein.

Vielleicht ist es auch in deiner Familie so und du erinnerst dich an die Situation, in der sich deine Mutter nicht mehr gegen dich durchsetzen konnte und sie damit drohte, es dem Vater zu sagen. Das führte dazu, dass du getan hast, was sie wollte. Nicht für sie, sondern aus Respekt davor, wie dein Vater reagierte.

Der Kümmerer und Hausmann

Der Vater kann ebenso die Rolle des Kümmerers und des Hausmannes übernehmen. Ich nenne ihn nun Hans. Die frühere Rollenverteilung wird dabei teilweise oder komplett vertauscht und die Beziehung zum Vater ist natürlich eine ganz andere als zu Peter. Ob Hans berufstätig ist oder nicht: die Arbeit ist nicht sein Hauptfokus. Wenn er arbeitet, hat er dabei ein Ziel: nach Hause kommen und Zeit mit der Familie zu verbringen. Aufgrund der zeitlichen und emotionalen Erreichbarkeit von Hans fühlt sich das Kind besonders geborgen. Er ist für es da. Die emotionale Nähe und die Zuverlässigkeit des Vaters als Bezugsperson schaffen eine besondere Bindung zwischen Kind und Vater. Er ist in allen Lebenslagen dabei. Er kann auch tiefgreifende Gespräche mit dem Kind führen, da er in dessen Leben integriert ist und weiß, was das Kind bewegt.

Vielleicht kannst du dich an eine solche Situation erinnern: Du hast ein Problem oder Sorgen und dein Vater reagiert sofort. Er dient als emotionaler Anker, fängt dich auf und gibt dir Sicherheit. Du besprichst mit ihm Themen, die du bei deiner Mutter nicht ansprechen würdest. Ihr schätzt euch gegenseitig wert – das ist das Besondere. Wenn du einen Kümmerer als Vater hast, besteht meist ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz.

Der Freizeitvater

Als Letztes definiere ich den sogenannten Freizeitvater – ich nenne ihn Thomas. Er ist möglicherweise von der Mutter getrennt und nimmt daher nur teilweise an der Kindheit teil. Thomas könnte genauso aber beruflich viel unterwegs sein. Er kann oder will demnach nur hin und wieder Zeit mit dem Kind verbringen – die dann aber so schön wie möglich gestalten. Im Gegensatz zu Peter – Ernährer und Bestrafer – ist er nicht die patriarchische Respektperson, die generell wenig erreichbar ist für das Kind. Was aber nicht heißt, dass das Kind den Vater nicht respektiert.

Thomas möchte es gern lockerer angehen. Doch er hat ein Problem: Weil er das Kind seltener sieht, fühlt er sich oft nicht sicher im Umgang mit ihm. Freizeitväter wie Thomas holen die Kinder ab, nachdem sie sie mehrere Tage nicht gesehen haben und wissen kaum mit der Situation umzugehen. Und das strahlen sie den Kindern gegenüber natürlich oft auch aus. Kinder spüren sowas sofort.

In seiner Unsicherheit, ob er alles richtig macht, ermöglicht Thomas seinem Kind alles. Kein Schwimmbadbesuch, keine Portion Eis oder ähnliches wird hier verneint – was ein Kindertraum! Doch das ist nicht nachhaltig. Denn das Kind erlernt hier, weniger Grenzen gesetzt zu bekommen.

Vielleicht kennst auch du die Situation aus deiner Familie. Deine Eltern sind geschieden und du verbringst jedes Wochenende bei deinem Vater. Deine Mutter organisiert den Familienalltag, dein Vater übernimmt das Wohlfühlprogramm: Es ist, als würde er die schönen Freizeitdinge planen – im Gegensatz zu der „nervigen“ Mutter, die immerzu nach den Hausaufgaben und Hausarbeiten fragt. Dein Vater ist für dich vielleicht nicht die direkte Bezugsperson – stattdessen ist der oberflächlichere Kontakt mit ihm spaßiger. Du weißt, was du zu deinem Vater sagen musst, um alles zu bekommen.

Wenn du als Kind von deinem Vater – egal, welche Rolle er einnimmt – vor allem wegen deiner Leistung anerkannt wirst, dann prägt dich das sehr.

Als Kind fühlst du dich vielleicht immer unter Druck gesetzt, diese Leistung zu erreichen – beispielsweise die Note Eins Plus mit Sternchen in der Mathearbeit. Vielleicht erkennst du dich selbst als Kind in einer solchen Situation? Obwohl eine Leistung eigentlich gar nicht zu erreichen ist, versuchst du es zu schaffen. Hörst du als Kind Sätze wie „Dir fällt das Lernen nicht so leicht wie den anderen“, fällt es dir als Erwachsener schwerer, mit Prüfungssituationen umzugehen. Unter diesem Druck ist die Erbringung von Leistung sehr schwierig.

Suche nach Anerkennung für eine Leistung

Was steckt eigentlich hinter der Suche nach Anerkennung für eine Leistung? 🔎

Dein Ziel als Kind ist es möglicherweise, geliebt zu werden. Du möchtest erreichen, was von dir gefordert wird, sodass du dafür die Anerkennung erhältst und mit Liebe belohnt wirst. Du möchtest dich gegenüber deinem Vater also so verhalten, dass du diese erhältst. Und die Reaktion deines Vaters auf dich und eure Beziehung ist eine Ursache für deine persönliche Entwicklung.

Überlege, was das heute im Erwachsenenalter für dein Veränderungsvermögen bedeutet. Hemmt es dich, dir eigene Ziele zu setzen, kreativ zu werden?

Wie zu Anfang gesagt, kann sich die Beziehung zu deinem Vater im Laufe deines Lebens ändern. Die (veränderte) Gesundheit des Vaters spielt eine große Rolle – und dies auf zwei Ebenen. Ist er möglicherweise körperlich krank und kann dir im Alltag nicht so helfen, wie er es gerne möchte? Oder ist er psychisch krank, alkoholsüchtig oder gewalttätig?

Wenn du ein Kind eines suchtkranken Vaters bist – oder einer solchen Mutter – trägst du eine schwere Last. Deine Bedürfnisse wie Zuwendung, Verlässlichkeit und Geborgenheit werden seltener erfüllt. Stattdessen kommt es zu einem Rollentausch.

Denn wenn der Vater – oder auch die Mutter – aufgrund der Sucht seine eigentliche Aufgabe nicht übernimmt, so musst du es selbst tun – oder glaubst zumindest es tun zu müssen. Anstatt Kind zu sein, rutschst du in die Rolle des Verantwortlichen und hast das Gefühl, dass du auf deinen Vater aufpassen oder es ihm besonders recht machen zu müssen, sodass er keinen Grund hat, trinken zu müssen. Die Folge im Erwachsenenleben können Depressionen und schwierige Beziehungen sein.

Hohe Verantwortung der Vaterbeziehung

Diese Beziehung leistet einen wertvollen und einzigartigen Beitrag in deiner Erziehung und Entwicklung – mit einer hohen Verantwortung.

Die Beziehung zwischen Tochter-Vater und Sohn-Vater kann ebenso stark variieren. Der Vater ist für Mädchen häufig ein Idol. Der Vater ist je nach Art der Beziehung zum Vater womöglich für es die erste große Liebe. Mit ihm hat das Mädchen den ersten Einblick in die Welt eines Mannes.

Studien belegen, dass Frauen, die ein gutes Vater-Tochter-Verhältnis aus der Kindheit kennen, öfter in Führungspositionen sind und einen einfacheren Umgang mit Männern pflegen – weil sie es eben kennen. Der Vater hat sie vielleicht zum Fußball mitgenommen oder sonstigen Aktivitäten, sodass die Männerwelt bekannt ist.

Wenn du ein Mädchen bist und du ohne deinen Vater aufwächst, suchst du wahrscheinlich bis heute noch in vielen Männern genau diesen einen Mann – deine Vaterfigur, ohne sie jemals zu finden.

Die Vater-Sohn-Beziehung dagegen ist eine andere. Doch ebenso eine riesige Mammutaufgabe. Er sollte ein liebevoller Vater und dein Vorbild sein, zu dem du aufblicken kannst – vielleicht unternimmt er Dinge mit dir, die deine Mutter nicht machen würde. Vielleicht ist er in deinen Augen mutiger und dein Held. Jungs möchten oftmals so sein, wie der Vater ist und finden es großartig, mit ihm zu spielen. Auf natürliche Art und Weise geht er mit ihnen anders um als die Mutter – so ist das eine besondere Beziehung.

Neben den von mir genannten drei Vaterrollen gibt es selbstverständlich noch weitere. Eines der schlimmsten Vaterbilder ist zweifelsfrei der Vater, der sein Kind missbraucht. Dies ist der häufigste Grund für eine substanzielle Störung in der Vater-Kind-Beziehung.

Dein Vater kann in deinem Leben wichtige Aufgaben erfüllen.

Er dient möglicherweise als dein Beschützer, der hinter dir steht und auf den du vertrauen kannst. Das gibt dir das Selbstvertrauen, das du dann bis in das Erwachsenenalter mit dir trägst. Du kannst dir also nun das Gegenteilige dieser intakten Vater-Kind-Beziehung mit dessen Auswirkungen ausmalen – und vielleicht sogar bei dir selbst erkennen.

Wenn du die heutige Beziehung zu deinem Vater hinterfragst, solltest du zunächst in die Kindheit blicken und dir folgende Fragen stellen:

  • Welche Vaterrolle nimmt er ein und welche Wirkung hat das auf dich?
  • Welchen Erziehungsstil hat dein Vater? Ist er eher streng? Oder ist er derjenige, der immer Ja sagt, wenn die Mutter es eigentlich verbietet?
  • Und vor allem: Wie hat sich die Beziehung bis heute entwickelt?
  • Wie war sie in deiner Kindheit?
  • Und welche Konsequenzen hat sie bis heute?
  • Welche Werte hat dir dein Vater mitgegeben in der Kindheit?

Nutze Lernaufgabe #8, um die Beziehung zu deinem Vater zu analysieren. Und egal, was du für dich herausfindest: Versuche deinen Frieden mit deinem Vater zu schließen. Wenn du aufhörst, nach Liebe und Anerkennung zu suchen, kannst du deine Abhängigkeit von ihm lösen und einen ersten Schritt zur Selbstverantwortung gehen.

„Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Wilhelm Busch

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